Montag, 22. Februar 2010

Übersetzte Unterschätzung

Mehr als 30 Jahre haben kluge Menschen in Deutschland darauf gewartet, dass das vergriffene Standartwerk "Orientalismus" von Edward W. Said neu in deutscher Übersetzung aufgelegt wird - in vielen Bibliotheken der Hochschulen gab es häufig nur noch ein Exemplar in den Hand- oder Semesterapparaten, nicht selten völlig vergilbt und zerflattert. Hunderte und Aberhunderte von Studierenden haben diese Papiere als Kopiervorlagen gedient, was sicherlich auch zu der Mythologisierung der Studie beigetragen hat.
Nun ist die Arbeit im S.Fischer-Verlag neu aufgelegt worden, ja sogar neu übersetzt. Doch es scheint eine Enttäuschung zu werden.. in der Qantara werden dem deutschen Text große Schwachstellen offenbart:
"In der vorliegenden Ausgabe treten diese Schwächen stärker hervor als im Englischen, wo Sätze noch elegant und überzeugend klingen, die im Deutschen den Leser den Kopf schütteln lassen: Für eine Neuübersetzung ist die vorliegende von atemberaubender Nachlässigkeit. Nicht nur, dass der Übersetzer statt "Islamwissenschaftler" "Islamisten" (d.h. islamische Fundamentalisten!) übersetzt; oft werden die Sätze rundweg unverständlich, und nur noch das Original hilft, um die Übersetzung zu entziffern."
Dass ein deutscher Verlag mit diesem Gründungsdokument des Postkolonialismus auch heute noch nicht sorgfältig umzugehen weiß, lässt auf die andauernde Unterschätzung kolonialer Kritik schließen!

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