Mittwoch, 28. Oktober 2009

Karibischer Schatz

Heute habe ich mir für 1,90 Euro einen Karibischen Schatz gekauft. Alternativ hätte ich auch das Funkeln Madagaskars, einen Juwel von Afrika, eine Karibische Nacht, das Kolumbus Gold oder das Herz Madagaskars käuflich erwerben können. All dies sind Träume Afrikas oder Gärten Indiens, die der Lebensmittelkonzern rewe in seiner neuen Eigenmarke "feine Welt" auf den Markt geschleudert hat. Die Billiglinie firmiert unter dem Motto "Kontinente entdecken" und suggeriert, dass "REWE Experten überall auf der Welt erlesene Spezialitäten und außergewöhnliche Geschmacksvariatonen ausfindig gemacht" haben. Wichtigste Verkaufsargumente der Expedition Genuss sind, dass jedes Produkt "eine faszinierende Geschichte und eine unverwechselbare Herkunft" haben. Hier wurde also nicht in Bielefeld oder Bonn, Ostheim vor der Rhön oder Singen entwickelt und designt, nein, hier wurde auf Expedition gegangen! Auch wenn Olivenöl aus der Toskana oder Bluorangen aus Sizilien dabei sind, ist das eigentliche Konzept die fernere Fremde, stammen doch alle Produkte "aus fernen Ländern". Dieser Prozess der Erkundung wird nicht mehr kolonialsprachlich nachempfunden, sondern mit dem Neologismus "Genuss-Scout" beschönigt. Interaktiv werden Besucherinnen und Besucher der homepage aufgefordert, die Scouts auf ihrer Reise zu begleiten. Auf einer goldenen Weltkarte darf dann Kolumbus gespielt werden. Und wir erfahren auch den Spitznamen der "Genuss-Souts": sie sind "Missionare des feinen Geschmacks". Doch kann das Projekt hier wirklich verstanden werden als eine Art "Re-Mission"- weil es das Gute und Wahre zurück bringt nach Europa? Oder geht es nicht auch hier um die Ausbeutung der Ware Authentizität und Originalität?
Abschließend beschleicht mich der Verdacht, dass irgendjemand in der Verpackungsdesign - Abteilung mal ein postkoloniales Seminar besucht haben muss. Warum sonst würde auf meiner Tafel Schokolade stehen: "Dem dunklen Rausch eines Karibischen Schatzes erliegt man ohne schlechtes Gewissen."

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