In jeder romantisierenden Geschichte über das rural geprägte Deutschland kommt er vor: der Tante-Emma-Laden, jenes "Synonym für eine (noch) intakte persönliche Beziehung und Dienstleistungsbereitschaft zwischen dem lokalen Händler und seinen Kunden". Im Zuge der Discounterisierung & Anonymisierung verschwanden dann die Tante Emmas, was allerdings die Voraussetzung dafür war, dass ihr Name in Kulturszenen und alternative Projekte eingehen konnten (vgl. Tante Emma Café). Udo Jürgens besingt nostalgisch und poetisch die früheren Tage und konstruiert damit eine Wirklichkeit zwischen Kolonialwaren und Klatsch&Tratsch, nach der wir uns nicht wirklich zurück sehnen sollten, finde ich. Dass vor allen Dingen Mitglieder globalisierungskritischer Kreise sich nach der guten alten Tante zurücksehnen, muss erstaunen, denn werden hier nicht nur schiefe Geschlechterkonstruktionen Emmas als lieber netter alten Frau, die immer Zeit hat, lieb zu den kleinen Kindern ist aber in einem sehr prekären Arbeitsverhältnis verortet ist, manifestiert, auch war hier einer der zentralen Orte des Verkaufes von Produkten aus den Kolonien.
Heute boomt im sich postkolonial selbstkonzipierenden Deutschland Fair Trade und Öko, und dennoch (oder gerade deswegen) besingen seit geraumer Zeit Der Spiegel und FAZ und DW das Comeback der Tante Emma Läden als die Rückeroberung von Herzlichkeit und Atmosphäre. Wer mehr Persönlichkeit in seinem Single-Leben haben will, der muss an dieser Re-Traditionalisierung partizipieren, scheint es.
Doch diese Mainstream-Diskurse verschleiern, wie es wirklich bestellt ist um die alternative Discounter-Szenerie in Deutschland, ja sie unterschätzen das Potential der türkischen Lebensmittelläden. Der Tagesspiegel spricht von einer Transformation der Tante-Emma in Onkel-Ahmed-Läden. Diese müssen nicht romantisiert werden, was ein Blick auf Löhne und Arbeitszeiten verdeutlicht, doch als volkswirtschaftlicher Faktor dürfen sie ebenso erkannt wie als Synonym der deutschen (urbanen) Gesellschaft 2010 anerkannt werden.
Donnerstag, 7. Januar 2010
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