Dienstag, 22. Juni 2010

Anders ist anders

Es fing schon bei der Bildersprache. "Normal ist anders" war das Motto des diesjährigen Christopher Street Days in Berlin. Sei ein Engel, das war eine Botschaft. Der CSD glaubt, die Engel seien geschlechtslos.. warum dann konsequent das generische Maskulinum? Weil hier vielleicht doch versteckt mehr schwul als lesbisch, mehr schwul als queer, mehr schwul als bi, mehr schwul als trans ist?
Und dann war da Judith Butler. Die hatte ihre Weißen Flügel nicht mitgebracht. Der Queer-Ikone sollte in Berlin nach einer Laudatio von Renate Künasts der Preis für Zivilcourage verliehen werden. Was dann geschah, wurde von den Medien, die über den Verlauf der Ereignisse berichteten, zumeist als "Eklat" bezeichnet. Damit wird die Ablehnung dramatisiert, nicht aber die Ursache der Ablehnung. Und die Veranstalter reagierten zutiefst beleidigt, ein "Wir machen weiter so" und "Ihr seid nicht die Mehrheit" war zu vernehmen, alles sehr peinlich.
Es muss beunruhigen, wenn auf die harte Kritik der Butler mit Durchhalteparolen reagiert wird. Ist der Vorwurf des Rassismus und der Islamophobie schon so gewöhnlich, dass nicht ein einzelner Moment des Stillehaltens, des Zuhörens, des kritischen Blickes auf das Selbst mehr möglich ist? Statt dessen wird zurückgeschlagen, allzuschnell tauchten in den Medien Informationen auf, die Butler sei ja selbst äußerst inkonsequent, wohne im Adlon und fliege Business, alles bezahlt vom CSD. Soll hier die Glaubwürdigkeit einer linken Kritikerin zerstört werden? Das wäre dann wohl etwas selbstüberschätzt, hier die Weißen Engel und dort die Bindestrichidentität Butler. Ich befürchte, die Männer des CSD Berlin wirklich nicht zugehört: es geht um die Anerkennung von Differenzen, um das Miteinander von Diversität, und nicht um die Uniformierung von Anderssein. Eine "Komplizenschaft mit Rassismus, einschließlich antimuslimischem Rassismus" hat Butler in den Äußerungen einiger der CSD-Veranstalter erkannt. Wieso sind diese nicht erschrocken? Wieso zuckt niemand zusammen?
Vielleicht haben sie es wirklich nicht verstanden mit den unbegrenzen Möglichkeiten. Einer der Initiatoren, Jan Feddersen, fragt anschließend in der taz:
"Das Motto des CSD hieß: "Normal ist anders". Hätte der Anspruch der queeren Community auf die Umdefinition dessen, was normal sein kann, radikaler, politischer formuliert werden können?"

Also noch einmal: Ja! Es hätte radikaler sein können, es hätte politischer sein können! Ein Anfang wäre, aufzuhören zu definieren, wie Anders zu sein hat.

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