Sonntag, 18. September 2011

Melodie

(Fast) überall wünsche ich mir mehr Postmoderne. Außer in der Musik.

Freitag, 16. September 2011

Eine Stadt in Familienbesitz

Von der Neuerfindung einer Stadt, von der Neuerfindung der Geschichte und der Zukunft erzählen will ein neuer Bildband, der im Feymedia-Verlag erschienen ist. "The Dubai Story" erzählt die Geschichte eines Märchens, in dem Öl die Hauptrolle spielt:
"Wie keine Zweite ist diese Metropole auf Rekordjagd, erfindet den Orient täglich neu, baut die höchsten Wolkenkratzer der Welt in Reihe, greift nach den Sternen. Wo gestern Wüste war, ist heute Wunderland: Dubai ist das Arabien des 21. Jahrhunderts, das New York des neuen Jahrtausends. Menschen aus über 100 Nationen bauen am Übermorgen, leben in diesem Schmelztiegel der Kulturen. Und ganz nebenbei entstehen hier wie im Amerika der 1920er Jahre Foto-Icons, die einmal für eine Epoche stehen werden. Sie sind schon jetzt Zeitdokumente. Sie erzählen vom Aufstieg aus dem Nichts, von Licht und Schatten – von den Scheichs, die vor zwei Generationen nichts als Sand hatten und zwischenzeitlich die halbe Welt kaufen konnten. Sie illustrieren ein modernes Märchen: The Dubai Story."
Dieser Bildband blickt nicht hinter die Kulissen, beleuchtet nicht die dunklen Hinterhöfe, erzählt nicht von den Tränen der als Sklavinnen und Sklaven gehaltenen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus dem Jemen und Ägypten, dem Sudan und Äthiopien, deren Arbeiten die Glitzerwelt erst möglich machen. Dieser Bildband zeigt das Emirat so, wie es selbst gesehen wird, lässt sich ein auf die Selbstinszenierung und diese Fata Morgana. Dieser Bildband ist ein Märchen, und er sollte in jedem Bücherregal zwischen Edward Said und den Gebrüdern Grimm stehen [ja, dies ist eine Kaufempfehlung].

Mittwoch, 14. September 2011

Gegendarstellung

"Und, was möchtest du mal werden, wenn du groß bist?" "Adbusterin."

Montag, 12. September 2011

Modernism war einmal...

Auch wenn ich mit Duane Champagnes Lesart der Postmoderne als eine Verlängerung der Moderne nicht einverstanden bin, so freuen mich doch die klaren Worte, die der Soziologie in seinem Artikel "Native Americans in a Postmodern World" findet, wenn er die Mechanismen modernen Denkens beschreibt. Nicht unnötig verkomplizierend und die Dinge beim Namen nennend schreibt Champagne:
"The worldview of most people in the contemporary world is still modernist. Modernism is an evolutionary vision that the market economy will grow, governments will become more democratic, culture will decline in importance, and people will become more similar and equal. (...). Modernism was a worldview that supported nation states."
Nach dieser Lesart macht es Sinn, eine Unverträglichkeit von Moderne und indigener Kulturen zu konstatieren:
"From an indigenous perspective, modernism was the justification for American nationalism and manifest destiny. The modernist view, closely and still related to Christian activism, did not have a place for indigenous peoples in the future of the United States or the world."
Sicherlich gibt es auch in der Postmoderne Komplizenschaften zwischen Nationalismus und Ethnie, zwischen Ethnizitäten und Nation, doch können diese immer wieder auf ihre historischen Plätze verwiesen werden.

Sonntag, 11. September 2011

Rethink NYC


Weil der 11.September ein (auch) christlicher Helden-Mythos im Nation-Making der USA geworden ist, empfehle ich Rethink NYC. Also, statt nur auf Ground Zero und zum 9/11 Memorial zu fokussieren, einfach mal ins Lab von BMW Guggenheim marschieren (real oder virtuell, beides möglich) und "neue Konzepte und Ideen für das urbane Leben von morgen" diskutieren.

Samstag, 10. September 2011

Der Pirat-Frau

Bald ist Wahl in Berlin und um die mögliche Schockwelle abzuschwächen, bereiten öffentlich-rechtliche Medien ihre Zielgruppen schon heute darauf vor, dass die Piratenpartei die Wahlsiegerin werden könnte. Umfragen der ARD sehen die Piratenpartei bei 6,5%, das Politbarometer des ZDF bei immerhin 5,5. Mich freut es, wenn unkonventionelle Parteien als engagierte Alternativen zu rot und grün, gelb und schwarz an den Start gehen... aber ausgerechnet die Piraten? Irgendwie beschleicht mich da dann doch das feministische Unbehagen.
Seit Jahren steht die Partei, die sich für Bürgerrechte und Privatsphäre, Datenschutz und Patentwesen einsetzt, in der Kritik, weil weder in Mitgliederstrukturen noch in Landeslisten Frauen maßgeblich repräsentiert sind. Was sollen wir tun? fragen die Piraten, ist ja nicht unsere Schuld, dass es so wenig prominente Frauen gibt bei uns. Der Berliner Spitzenkandidat Andreas Baum -in einem Interview dazu angesprochen- meint: "Bei uns halten sie sich eher im Hintergrund". Von einem "im Hintergrund gehalten werden" weit entfernt, sieht Baun die Ursachen bei den Anderen:
"Aber es wird demnächst eine Veranstaltung nur für die Piratenfrauen geben. Wir haben viele aktive Frauen, sie wollen aber nicht eine zweite Renate Künast werden und an der Spitze der Liste stehen. Darauf haben sie keine Lust."
Mir ist das zu wenig! Mir ist es auch zu wenig, dass die Piratenpartei nur das generische Maskulinum kennt, mir ist es zu wenig, dass die AG Frauen nur stereotypisch weibliche Themen benennt und auch hier wieder die Anderen verantwortlich macht für systematische Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt und im öffentlichen Leben. Mir ist die Erklärung der Partei, man vertrete einen Postgender-Anspruch, der "in der breiten Öffentlichkeit leider häufig missverstanden" werden würde, zu wenig. Die einzig erkennbare Gegenmaßnahme, die ich auf den Seiten der Partei erkennen konnte, ist ein Portfolio, in dem Pirat-Frauen (selten: Piratinnen) schreiben sollen, warum sie Pirat sind. Als Frau. Diese merkwürdige Sichtbarmachung jenseits politischer oder innerparteilicher Machtstrukturen klingt für mich sehr konzept- und strukturlos. Wirklich überheblich dann aber dieses Statement:
"Und auch wenn die meisten von uns sich nicht auf Grund ihres Geschlechtes in den Fokus der Aufmerksamkeit drängen wollen, haben wir lernen müssen, dass die Partei der Öffentlichkeit voraus ist."
Wo bitte ist die Partei der Öffentlichkeit voraus? Da haben der Pirat-Frau wohl etwas deutlich missverstanden...

Freitag, 9. September 2011

Transformers

Das künstlerische Portfolio, das der Fotograf Platon für Human Rights Watch über die Menschen vom Tahrir erstellt hat, ist ergreifend und rührt mich in seinem differenzierenden Blick auf eine Gesellschaft zu Tränen. Es hat die Intention, "to shine a spotlight on the brave individuals who helped make Tahrir`s square happen."

Donnerstag, 8. September 2011

Papa, was ist eine Revolution?

Der insbesondere in Europa seit Jahrzehnten beliebte Autor Tahar Ben Jelloun galt oft als Stimme des Maghrebs. Während sich viele hiesige Verlage noch schwer damit taten, Literatur aus der arabischen Schreibe zu übersetzen und zu verlegen, war es simpel, auf Ben Jelloun zurückgreifen zu können, der sich so toll mit Fragen von Orientalismus und Rassismus auseinandersetzten konnte.
Und dann kommt der arabische Frühling, und dem in Paris lebenden und inzwischen international populären Schriftstellerstar gelingt es, in Teilen des europäischen Literarzirkels auch noch zur Stimme des arabischen Frühlings zu werden. Nun hat er auf dem 11. internationalen literaturfestival berlin gesprochen... und nennt die Revolution eine Revolte, hinter der Wut stecken würde. "Wut aber sei keine Ideologie", zitiert die TAZ Ben Jelloun. Hier spricht eine Stimme des Establishments, der franko-arabische Kosmopolit, der die Ereignisse beobachtet und analysiert, aber der nicht auf den Straßen von Tunis und Kairo, Damaskus und Sanaa zuhause ist. Nach seinen Beststellern "Papa, was ist ein Fremder" und "Papa, was ist der Islam" wünsche ich mir "Papa, was ist eine Revolution" als nächstes Buch.. vielleicht würde der Vater nämlich antworten: "Sieh nach Ägypten, sieh nach Tunesien: Das ist eine Revolution."

Mittwoch, 7. September 2011

Samenbomben

"Und, was möchtest du mal werden, wenn du groß bist?" "Guerilla Gardener!"

Dienstag, 6. September 2011

Widewidewid bum bum

Dass die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ) und Gebeco (Gesellschaft für internationale Begegnung und Cooperation) ihren jährlich zu verleihenden Reisejournalismus-Preis ausgerechnet "Columbus" nennen, irritiert. Die Intention, "Geschichten und Berichte, die Lust auf Reisen machen und die Neugier auf Menschen und ihre Kultur wecken" zu fördern, ist zwar löblich, doch hatte der Namensgeber wohl keine Neugierde auf Menschen und Kulturen, sondern hat vielmehr eine bum-bum-Politik betrieben. Etwas mehr Distanz zur Geschichte des Reisens bitte!

Sonntag, 4. September 2011

Ich bin wieder da

Die Kuh, die ein Reh sein wollte, ist wieder da.

Marcus Tullius Cicero, der Opportunist

Meine julianische und augustinische Sprachlosigkeit beim Schreiben nun überwinden wollend, irgendein, gar beliebiges, weil liebendes Thema findend, am Besten über die Postmoderne, klar. Das Feuilleton wählt in diesen Tagen einfach den neuen Roman von Charlotte Roche, wenn es gilt, das Label postmodern zu platzieren. Dabei ist es ganz egal, ob es um glühende Verehrung, um Missgunst oder den Zerriss geht. Das Politstylo-Magazin Cicero etwa schreibt zur Roche:
"Erst wenn das Tabu salonfähig ist, dann, ja erst dann sind wir endlich angekommen in der Postmoderne. Dann sind wir endlich angekommen in einer abendländischen Kultur, die die so mühevoll institutionalisierten Grenzen zugunsten eines neugeschöpften Relativismus aufzuweichen beginnt."
Doch irgendwie beschleicht mich wieder und wieder dieses Unbehagen, dass es Cicero tatsächlich ums abendländisch kulturelle geht, um das Abwenden von Selbstinszenierung und Pathos. Cicero geht es um sich selbst, um sich selbst drehend, schnell noch diese Nicht-Rezension der Schoßgebete online gestellt, um Werbung für die Printausgabe machen zu können: "(...) kommt man, selbst wenn man wollte, nicht darum herum (außer in der aktuellen Ausgabe des CICERO. 100% ohne Charlotte, zertifiziert mit Stempel!)" Haben also Cicero und Roche doch mehr gemein, als ersterer vorgibt? Der römische Cicero jedenfalls hat noch als alter Greis eine 15-jährige geheiratet.